Im Jahr 2022 erschienen bis jetzt einige Commander Decks bei Magic The Gathering. Das Casual Format mit legendären Kreaturen (oder manchen Planeswalkern oder gar Fahrzeugen) an der Spitze jedes Decks ist inzwischen vielleicht der beliebteste Weg, Magic zu spielen. Das Format ist weit weniger ernst oder kompetitiv als zum Beispiel Standard und eröffnet dabei durch die Wahl eines Commanders weit mehr Möglichkeiten ein ganz persönliches Deck zu erstellen als andere Formate. Der Support des Formates war jedoch nicht immer so präsent. Heute möchte ich mit euch einen Blick auf die Historie des Formates werfen und einmal hinterfragen, ob es vielleicht an seiner eigenen Beliebtheit leidet.
Der Vorläufer des Formats, das heute nahezu vergessen ist, hieß Highlander. Ihr könnt es euch vorstellen wie Commander „ohne Commander“: Decks enthielten mindestens 100 Magic Karten und jede Karte, von Standardländern abgesehen, durfte nur einmal enthalten sein. Hierbei handelte es sich jedoch um ein eher kompetitives Format, welches eins gegen eins mit 20 Lebenspunkten gespielt wurde. Heutzutage ist das Format weitestgehend ausgestorben. Man könnte vielleicht auch sagen, dass es von Duel Commander bzw. Archon ersetzt wurde.
Das Commander Format, wie wir es kennen, nahm seinen Anfang in etwa im Jahr 1996 im Nachgang des Releases von Legends. Ursprünglich gab es nicht die Unmengen an Commandern, die wir heute kennen, sondern nur legendäre Kreaturen aus Legends: Besonders beliebt unter ihnen waren die Elder Dragons, deren Namen man heute noch kennt: Chromium, Arcades Sabboth, Palladia-Mors, Nicol Bolas und Vaevictis Asmadi. So kommen wir auch zum alten Namen des Formats, den ihr auch hier im Blog noch oft findet: Elder Dragon Highlander, oder kurz EDH.
40 LP warum?
Springen wir nun mal einige Jahre in die Zukunft ins Jahr 2011: Wizards of the Coast bringt ein neues Set heraus, welches aus drei Magic Decks besteht und den Titel Commander trägt. Es war damals ein Teil der Initiative „Summer of Multiplayer“ neben Support für die heute unbekannteren Formate Archenemy und Planechase. Mit dem Set erschien die Mechanik Join Forces, welches es Spielern erlaubte, zusammen mit ihren Gegnern Mana zu investieren, um Effekte zu erhalten, die allen nutzen sollten. Das Set brachte 15 neue legendäre Kreaturen und damit Commander mit, die bis heute auch zu den beliebtesten Anführern des Formates zählen. 2012 folgte Commander’s Arsenal, welches 18 neu aufgelegte Karten enthielt, die gerade im EDH beliebt sind. Von da an waren Commander Sets eine jährliche Angelegenheit, auch wenn sie in den Jahren 2017 bis 2019 nur vier statt fünf Decks enthielten.
Der nächste Einschnitt folgte 2020. Commander 2020 war nicht, wie in den Jahren zuvor, an eine bestimmte Mechanik gebunden, sondern an ein Set, in dem Fall Ikoria. Das mag wie eine Kleinigkeit klingen, war aber Vorbote für eine viel größere Änderung: Von da an wurde jedes Standard Set und auch einige ergänzende Sets wie Commander Legends von mehreren Commander Decks begleitet. Auch die Form dieser variierte: So kamen zum Teil deutlich günstigere Decks (mit Preisen von etwa 20,- €), die auch weniger wertvolle Karten enthielten. So gab es 2020 neun neue Commander Decks, 2021 schon ganze 15 (16 mit dem Secret Lair Deck) und für 2022 erschienen bis jetzt elf, wobei für Dominaria United, The Brother’s War und Warhammer 40K noch mit weiteren Decks gerechnet wird. Wir erhalten mittlerweile also mehr als viermal so viele Decks wie noch 2019.
Dazu kommt Commander Legends. Die Sets, die speziell für Commander konstruiert wurden, erschienen 2020 und jetzt in 2022. Wenn man daher davon ausgeht, dass diese jetzt alle zwei Jahre herauskommen, kommt das auch noch dazu.
Zusätzlich kommt als kleinerer Punkt noch hinzu, dass immer mehr Karten in Standard Sets sehr offensichtlich für Multiplayer gedruckt werden. Man denke an Smothering Tithe oder sehr prägnant an Morophon the Boundless, die trotz des Erscheinens in Modern Horizons eindeutig nur als „Ersatz-Commander“ für Kreaturentypen, die noch keinen eigenen Commander haben, gedacht ist.
Wozu führt das?
Durch immer mehr Karten speziell für EDH, die meistens auch eine hohe Spielstärke mitsichbringen, wird das Format, wenn Decks optimiert werden sollen, homogenisiert. Früher „musste“ man, wenn man Weiß spielen wollte, Swords to Plowshares, vielleicht noch Path to Exile oder Land Tax spielen und das war es. Der Rest des Decks war Karten überlassen, die thematisch passen. Heutzutage braucht man dazu noch Smothering Tithe, Archaeomancer’s Map und Generous Gift, Karten, die in mehr als einem Drittel der Decks vorkommen.
Dazu wird das Format schnelllebiger. Ja, man aktualisiert seine Decks im EDH ohnehin meist weniger, aber wenn alle paar Monate eine neue, extrem starke Karte rauskommt, will man die ja schon irgendwie haben. Die hohe Anzahl neuer Commander führt auch ein wenig dazu, dass man den Überblick über die eigenen Optionen verliert. Vielleicht sind das hier auch nur die Beschwerden eines „Boomers“, aber es wird sicher auch noch andere geben, die mit dieser Masse Probleme haben.
Auch sind diese Staples immer komplexer: Um eine Karte zu designen, die im Multiplayer EDH richtig gut ist, aber nicht Standard oder andere Formate dominiert, ist eine gewisse Komplexität der Effekte erforderlich. Eine häufige Option dafür ist Interaktion mit gegnerischen Karten, da solche bei drei Gegnern am Tisch naturgemäß häufiger vorkommt. Man denke an Smothering Tithe: Sie tut immer dann etwas, wenn der Gegner eine Karte zieht. Das verlangsamt den Spielablauf ungemein: Wenn ein Spieler eine Smothering Tithe kontrolliert, einer eine Archaeomancer’s Map und einer eine Rhystic Study (zugegeben eine ältere Karte), dann kann man quasi nichts machen, ohne dass ein Gegner die Hand hebt. Spiele ziehen sich so in die Länge, und das nicht durch spannende Interaktion, durch die sich immer mal ändert, wer gerade vorne liegt, sondern durch die Wiederholung der Frage: „Zahlst du zwei Mana?“.
Ein nächstes Problem liegt im Power Creep. Im EDH ist er dadurch, dass Decks weit weniger optimiert sind, weniger spürbar, aber grundsätzlich sind diese Staples einfach wahnsinnig starke Karten für Karten- oder Manavorteil. Man muss dazu auch sagen, dass die besten Decks, also CEDH Decks, diese Karten oft gar nicht spielen, weil sie schnellere Effekte brauchen. In einer Casual Umgebung mit langsameren Win Conditions sind die drei Mana, die Smothering Tithe in einer Runde generieren kann, oder auch die Karten einer Rhystic Study schnell sehr relevant. Es handelt sich um Karten, die dauerhaft Vorteile generieren, sodass sie umso besser werden, je länger das Spiel dauert. Gleichzeitig findet man diese Effekte sehr oft auf Verzauberung, die tendenziell schwerer zu entfernen sind.
Wenn ihr mal selbst schauen wollt, ob diese Phänomene auch bei euch auftauchen, zählt einfach mal, wie oft eine einzelne Karte dauerhaft ins Spiel eingreift und zu regelmäßigen, wenn auch kleinen Unterbrechungen führt.
Ist das jetzt schlimm?
Ganz ehrlich: Keine Ahnung. Während ich bei dem entsprechenden Artikel zu Modern noch sehr der Überzeugung war, dass diese Karten speziell für Modern schaden, ist das hier schwieriger. Die Karten sind stark und unterbrechen das Spiel oft, aber ist das nicht irgendwie auch der Gedanke hinter EDH? Das Format ist eben auch eines, in dem Effizienz nur eine untergeordnete Rolle spielt und Karten vor allem gute Effekte haben müssen. Auch ist die zeitliche Komponente (oft) weniger wichtig. Turnierrunden laufen auf 50 Minuten, da muss man aufpassen, dass Spiele nicht in die Länge gezogen werden. Eine Runde Casual Commander dauert manchmal halt mehrere Stunden und ist gelegentlich eher ein fröhliches Zusammensein, bei dem man halt noch Magic spielt. Dazu werden die meisten Karten in ihrer Stärke eben so abgestimmt, dass sie für das „normale“ Spiel eins gegen eins balanciert sind. Das führt dazu, dass viele Karten im Multiplayer ziemlich ineffizient sind. Es erscheint also nur naheliegend, dass man angesichts der wachsenden Popularität von Commander auch Karten für dieses Format balanciert. Das mag in Einzelfällen mal zu stark sein, aber grundsätzlich ist der Gedanke ja richtig.
Auch reguliert sich das Format selbst (ja, das ist das Magic-Äquivalent zu „Der Markt regelt das“). Wenn ein Spieler zu weit vorne liegt, wird er eben von allen drei Gegner angegriffen, was meistens ein zu starkes Deck ausgleicht. Auch kann man jede Änderung im Metagame irgendwie angreifen. Es gibt ja genug Removal für EDH, das mehrere Gegner treffen kann und somit effizient verwendet werden kann. Ja, Farben wie Schwarz und Rot haben Probleme, starke Verzauberungen anzugreifen, aber dafür haben sie ja andere Stärken.
Wenn ihr Casual spielt, könnt ihr euch auch darauf einigen, Karten dieser Art nicht zu spielen. Das mag zunächst wie ein absurder Vorschlag klingen, ist es aber nicht: Die ungeschriebene Regel im normalen EDH ist, dass man Casual Decks spielt und etwa CEDH Decks keinen Platz an einem solchen Tisch haben. Man kann dies also durchaus auch auf bestimmte Karten ausweiten, die man nicht sehen möchte. Davon abgesehen sollte das Regel-Komittee mal dringend einen Blick auf die EDH Banlist werfen, aber das ist ein anderes Thema…
Um damit die ursprüngliche Frage zu beantworten: Das Format wird ohne Zweifel durch seine eigene Beliebtheit beeinflusst und weiter geformt, aber das muss nicht schlecht sein.
Was sind eure Gedanken dazu? Verratet es uns gern in den Kommentaren 🙂
Euer Berkut