Yugioh – Die Entwicklung des Metas: Teil 3 – Chaos

Man mag von der Banned List denken wie man will und oft genug bietet sie Anlass für Kritik und Diskussionen, trotzdem ist sie fester Bestandteil im Leben eines jeden Duellanten. Das war aber nicht immer so, denn bis 2004 existierte nur eine Liste mit limitierten Karten, verboten war bis dahin noch nichts. Das änderte sich, als ein neues Themendeck dem Invasion of Chaos entstieg: Chaos. Erst diese Yugioh Decks machten es notwendig einige Karten gänzlich zu verbieten und so ein einigermaßen ausgeglichendes Kräfteverhältnis wiederherzustellen.

In meinen letzten Artikeln habe ich einen ausführlichen Blick auf Beatdown und Hand Control geworfen, die sich bis 2003 als Meta-Decks etabliert hatten. Während Beatdown vor allem auf pure Attackenstärke setzte, versuchte Hand Control erstmals, dem Gegner mit konkreten Effekten die Spieloptionen zu nehmen. Diesen ersten gezielten Einsatz von Monstereffekten macht sich nun auch das neue Chaos-Deck zunutze, das in vielen Aspekten das Hand Control Thema aufgreift und weiter denkt. 

Anfang 2004 erschien dann Invasion of Chaos, von denen wir noch einige Booster auf Lager haben und mit ihm zogen eine Reihe von Monstern ein, die spezialbeschworen werden können, indem ein Licht- und ein Finsternismonster aus dem Friedhof verbannt werden. Nicht nur waren Spezialbeschwörungen zu dieser Zeit die absolute Ausnahme, hier konnten erstmals wirklich starke Monster, die darüber hinaus auch noch über sehr starke Effekte verfügen, auf einfache Weise gerufen werden. Damit hielt ein absolutes Novum Einzug ins Spiel, das bis heute das Yu-Gi-Oh! TCG dominiert und unsere heutige Spielweise nachhaltig prägte. 

Die Chaos-Monster

Das gesamte Deck drehte sich vor allem um zwei mächtige Monster aus Invasion of Chaos. Bei dem einen handelt es sich um die Secret Rare Chaos-Imperatordrache – Gesandter des Endes, bei der anderen um die begehrte Ultra Rare Schwarz glänzender Soldat – Gesandter des Anfangs

Schwarz glänzender Soldat war darüber hinaus das erste Monster, das über zwei separate, äußerst nützliche Effekte verfügte. Mit einer ATK von 3000 und der Möglichkeit, zwei Angriffe in nur einer Battle Phase zu starten, war er ein mächtiger und nur schwer zu überwindender Gegner. Er bildet zusammen mit Chaos-Imperatordrache – Gesandter des Endes ein Duo, das für einen nie dagewesene Anstieg in puncto Beschwörungen und Zerstörung sorgte. 

Bei aller Power, die dem Schwarz glänzenden Soldat (der den Spielern zu dieser Zeit bis dahin übrigens nur als effektloses Ritualmonster aus dem Starter Deck Yugi Evolution bekannt war) zuteil wurde, verblasste sein Effekt gegenüber der Secret Rare aus Invasion of Chaos. Chaos-Imperatordrache ist nämlich in der Lage, alle Karten auf dem Feld und in den Händen beider Spieler auf einen Schlag zu zerstören und fügt den gegnerischen Lebenspunkten für jede zerstörte Karte 300 Lebenspunkte Schaden zu. Was das Hand Control Meta noch mühsam über Runden hinweg zu erreichen versuchte, gelang nun mit einer einzigen Karte. Der Effekt des Imperatordrachen begünstigt einen gelingenden Yata-Lock ungemein: Alles, was nötig war, war eine Hexe vom Schwarzen Wald oder Sangan auf dem Feld. Der Effekt des Gesandten des Endes zerstört den Searcher nun, der Spieler holt sich Yata-Garasu auf die Hand, beschwört diesen als Normalbeschwörung und gewinnt das Duell. Mit zwei Karten, die der Gegner in der Regel nicht kontern konnte. Erst hier, im Chaos-Deck, kann der Yata-Lock wirklich sein volles Potenzial entfalten. Das zeigt, dass mit Einführung des Chaos-Themas auch ein signifikanter Anstieg der Spielgeschwindigkeit einher ging. 

Chaos-Futter 

Was heute gang und gäbe ist, formiert sich 2004 zum ersten Mal: Ein Deck, in dem die einzelnen Karten sich nicht um ihrer selbst Willen in einem Deck befanden, sondern um eine übergeordnete Gesamtstrategie zu unterstützen. Insofern musste auf ein ausgewogenes Verhältnis an Licht- und Finsternismonstern geachtet werden, was einige Herausforderungen mit sich brachte, da Licht-Monster bis dahin kaum Raum in den vorherigen Meta-Decks eingeräumt bekommen haben. Dankbar angenommen wird hier vor allem eine Super Rare aus Dark Crisis: D.D. Kriegerin. Die Dame aus dem damals recht neuen D.D.-Thema (das übrigens für Different Dimension steht) ist zum einen ein Licht-Monster und hat zum anderen die Möglichkeit, nach der Schadensberechung ein gegnerisches Monster und sich selbst zu verbannen – sie nimmt dieses Monster quasi mit in ihre andere Dimension. 

Während Hand Control noch ausschließlich auf Mystische Tomate setzt, wird diese nun durch den Floater Glänzender Elf ergänzt. Glänzender Elf (wie sonst sollte man Shining Angel auch übersetzen? Die großen Flügel signalisieren eindeutig: Hier handelt es sich um einen Elf und keineswegs um einen Engel.. >.>) ist zum einen vom Typ Licht, zum anderen erlaubt er, D.D. Kriegerin rasch aufs Feld zu bringen, sodass unliebsame gegnerische Monster nicht nur zerstört, sondern verbannt werden können. Für verbannte Monster gab es damals keine Gelegenheit, ins Spiel zurückzukehren, was den Effekt der Kriegerin umso brauchbarer machte. 

Die andere starke Licht-Unterstützung kommt in Gestalt von Reflektor-Lump daher. Ähnlich wie D.D. Kriegerin verhindert sie den Gegner am Eingreifen, außer dieser ist bereit, sein Monster oder Lebenspunkte einzubüßen. 

Auf der Seite der Finsternismonster retten sich einige Karten aus dem Hand Control Deck ins Chaos-Meta herüber: Geister-Sensenmann, Don Zaloog und Mystische Tomate sind immer noch häufig gesehene Gestalten in den meisten Decks. Sie werden nun durch Brecher, magischer Krieger unterstützt, der bei Beschwörung 1900 ATK mitbringt und eine Zauber- oder Fallenkarte zerstören kann.

Experimentierfreudige Duellanten

Neben dem Ansinnen, schnell und effizient die großen Chaos-Monster aufs Spielfeld zu bringen, erprobten die Duellanten im Jahr 2004 verschiedene kleinere Taktiken mit ihren Finsternis- und Lichtmonstern. Immer wieder lief man hier Weißer Zauberhut und Magier des Glaubens über den Weg, beide ein Relikt aus dem Hand Control Meta oder auch Donner Nyan-Nyan, eine Rare aus Legacy of Darkness, der ich selbst aber nie viel abgewinnen konnte, tauchte immer wieder auf.

Besonders hervor stach aber Magieforscher. Mittlerweile verboten, ist er quasi die Monsterform der Zauberkarte Instantfusion. Zum Preis von 1000 Lebenspunkten erlaubt es dieses Finsternis-Monster, ein Fusionsmonster zu beschwören. Die Wahl fiel hier meistens auf Tausendäugiges Opfer, da hiermit ein gegnerisches Monster entsorgt werden konnte.

Das Chaos-Deck

Im September 2004 belegte das Chaos-Deck auf dem Battle City Turnier in Amsterdam die ersten beiden Plätze. Werfen wir nun einen Blick auf das Deck des Zweitplatzierten, Oscar Taieb: 

Monsterkarten (18)Zauberkarten (18)Fallenkarten (4)Side Deck (15)
1x Chaos-Imperatordrache – Gesandter des Endes
1x Schwarz glänzender Soldat – Gesandter des Anfangs
1x Parshath, der Luftritter
1x Jinzo
1x Hexe vom Schwarzen Wald
1x Sangan
1x Yata-Garasu
1x Kycoo, Geistzerstörer
1x Don Zaloog
1x Brecher, magischer Krieger
1x Geister-Sensenmann
3x D.D. Kriegerin
1x Reflektor-Lump
1x Glänzender Elf
1x Rasender Gorilla
1x Stämmeinfizierender Virus
3x Mystischer Raum-Taifun
1x Albtraum-Trugbild
1x Elegante Wohltäterin
1x Topf der Gier
1x Starker Wachposten
1x Verbrecher-Duo
1x Überläufer
1x Schnappstahl
1x Voreiliges Begräbnis
1x Raigeki
1x Schwarzes Loch
1x Wiedergeburt
1x Harpyien-Flederwisch
1x Qual der Wahl
1x Adliger der Auslöschung
1x Verräterische Schwerter
1x Ruf der Gejagten
1x Kaiserlicher Befehl
1x Spiegelkraft
1x Ring der Zerstörung 
1x Buch des Mondes
1x Feindkontrolle
1x Beschlagnahme
1x Schwerer Sturm
1x Gewebekrug
1x Unheilverkündende Schlange
1x Kycoo, Geistzerstörer
1x Injektionsfee Lily
2x Mystische Tomate
1x Pyramidenschildkröte
1x Geister-Sensenmann
1x Vampirlord
1x Bodenlose Fallgrube
1x Magischer Zylinder

Auffällig ist, dass diese Variante des Decks die meisten Karten nur einfach spielte. Das liegt daran, dass 2004 eine recht statische Zahl an Staples existiert, die in jedem Deck zu finden sein müssen. Was Zauber- und Fallenkarten angeht, herrscht hier also wenig Flexibilität und auch die Monsterkarten überraschen wenig.

Bemerkenswert ist die Wahl von Rasender Gorilla im Main Deck. Dieser hatte im frühen Beatdown-Deck durchaus seinen Wert, wirkt aber im Chaos-Thema eher etwas deplatziert und wie ein Relikt früherer Decks. Auch Kycoo, Geistzerstörer überrascht hier erst einmal, ist aber eigentlich die logische Wahl in einer Zeit, in der man sich eigentlich ständig mit Chaos-Decks konfrontiert sah. 

Im Side Deck fällt auf, dass Oscar Taieb hier zusätzlich zum Chaos-Thema auch Zombies etabliert, um so seinem Deck im Notfall mehr Flexibilität zu geben. 

Der Untergang des Chaos-Decks

Chaos dominierte 2004 die Yu-Gi-Oh! Szene und herrschte mit eiserner Hand. Kein Deck war ihm wirklich gewachsen, weil es einfach kaum eine Strategie gab, die Chaos zerschlagen konnte. Kein Wunder also, dass in jenem Jahr etwa 85% der Decks auf den Landesmeisterschaften der USA sowohl Chaos-Imperatordrache als auch Schwarz glänzender Soldat beinhalteten. Geschwindigkeit war also alles und einige Spieler taten alles, um schnell an diese beiden begehrten und eben nicht suchbaren Karten zu kommen: Floaters wurden immer populärer und auch Donnerdrache sah man häufig. Über Sieg oder Niederlage entschied schlicht, wer schneller die besagten Karten zog, so einfach war das – oder eben auch nicht. 

All das änderte sich, als Konami im August 2004, also einen Monat nach der Weltmeisterschaft, die allererste Liste mit Verbotenen Karten veröffentlichte. Mit ihr wurde das Chaos-Thema stark geschwächt, denn Chaos-Imperatordrache – Gesandter des Endes, Sangan, Hexe vom Schwarzen Wald und Yata-Garasu wurden verboten. Zusätzlich traf es eine ganze Reihe an Zauberkarten, die zum festen Bestandteil aller Decks gehörten und nun nicht mehr gespielt werden durften. Mit Wirksamkeit dieser Liste ab Oktober 2004 starb das Chaos-Deck dann aus und zurück blieb ein grundlegendes Umdenken in den Köpfen der Duellanten. Von da an generierte sich ein neues Meta nicht einfach aus reiner Überlegenheit der neueren Karten heraus, vielmehr wurden immer wieder Meta-Decks durch die Banned List so stark beeinträchtigt, dass sie einfach nicht mehr spielbar waren und neuen Decktypen weichen mussten.

Chaos nach dem Einschlag der Banlist 

Glücklicherweise ist Schwarz glänzender Soldat – Gesandter des Anfangs nicht von der Banlist betroffen gewesen und durfte nach wie vor gespielt werden. Insofern war Chaos immer noch ein starkes Deck und immer noch präsent. Unterstützung erhielt der Soldat durch Dunkler Magier des Chaos, der ebenfalls in Invasion of Chaos erschienen war und sich auch vor der Banlist in einigen Decks befunden hatte – nur jetzt rückte er zunehmend in den Mittelpunkt. Der Magier konnte in Sachen Beschwörungsbedingungen den beiden großen Chaos-Bossen aber nicht das Wasser reichen, denn er musste ganz regulär durch zwei Tribute beschworen werden.

Das so geschwächte Chaos-Deck bekam mit der nachfolgenden Banlist im April 2005 dann seinen endgültigen Gnadenstoß. Qual der Wahl und Magieforscher wurden verboten und sind es bis heute. Chaos wurde dadurch langsamer, es dauerte nun einfach zu lange, Futter für den Gesandten des Anfangs in den Friedhof zu bekommen. Der Fokus verlagerte sich, und obwohl der Soldat auch im nachfolgenden Meta Deck, dem Goat Control, seinen Platz finden sollte, hatte er seine Glanzstunden hinter sich. Im Oktober 2005 schließlich verschwand er gänzlich aus den turnierfähigen Decks, als er das Schicksal des Chaos-Imperatordrachen teilte und verboten wurde.

Heute sind beide wieder erlaubt, Chaos-Imperatordrache ist nach der neusten Liste sogar wieder entbannt. Seine alte Stärke wird er aber nicht mehr zurückerlangen, da sein Effekt abgemildert wurde und nach der Aktivierung seiner zerstörerischen Kräfte nun keine weiteren Karten und Effekte aktiviert werden können. Das macht ihn unangenehm, aber für heutige Verhältnisse recht harmlos.

Etwas anders verhält es sich da mit Schwarz glänzender Soldat: Auch wenn Gesandter des Anfangs nicht mehr den Einfluss von einst hat, ist das Thema selbst noch sehr lebendig. Seinen letzten, wirklich starken Support hat er in Form des Soldat des Chaos im Battles of Legend: Hero’s Revenge erhalten.

Im nächsten Artikel widmen wir uns dann ausführlich dem Goat Gontrol Meta, das namensgebend für eine ganze Ära werden sollte.

Euer Hyozan

Über Hyozan

Yu-Gi-Oh!-Veteran der ersten Stunde

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