Herzlich willkommen zum Auftakt meiner neuen Artikelserie, die sich ganz der Entwicklung des Metas seit den frühen Anfängen unseres geliebten Yu-Gi-Oh! Sammelkartenspiels bis heute widmet. In den nächsten Wochen nehme ich euch mit auf eine Reise durch die Zeit, werde die jeweiligen Meta-Decks genauer beleuchten und zeigen, wie lang der Weg bis zum heutigen Spiel wirklich gewesen ist.
Begeben wir uns nun ins ferne Jahr 2002. Ein neues Kartenspiel schwappt aus Japan herüber nach Nordamerika und Europa. Man kann eine handvoll fertig konstruierter Yugioh Decks erwerben und es gibt zwei Erweiterungsserien, sogenannte Boosterpacks, in denen acht Commons und eine Rare oder höher zu finden sind. Die Decks, die daraus entstehen, sind recht überschaubar und nicht sehr vielfältig. Insofern ist der Begriff „Meta“ für die frühen Jahre des Spiels eigentlich unzutreffend: Die dominanten Decks generierten sich weniger aus überlegener Stärke heraus, sondern vielmehr aus einem Mangel an Alternativen. Die Decks in jener Zeit bestanden in der Regel aus einem Stapel von blanken Karten, die natürlich nicht mit Hüllen geschützt wurden. Eigentlich packte man nur wahllos die vermeintlich stärksten Karten zusammen und hoffte, dass der Gegner über weniger starke Karten verfügte – und Stärke definierte sich damals ausschließlich über ATK- und DEF-Werte, nützliche Effekte waren eher die Ausnahme. So ausgestattet bestritten die ersten Duellanten ihre Spiele, die sich weniger an den von Konami erdachten Regeln orientieren, sondern die parallel laufende Yu-Gi-Oh! Anime-Serie zugrunde legten. Offizielle Veranstaltungen gab es nicht, Turniere fanden nur in lokalen Läden statt und online war noch gar nichts los.
Ein paar brauchbare Karten stachen dann aber doch hervor und ein Decktyp begann rasch, sich vor allen anderen zu etablieren: Beatdown.
Herbeigerufener Totenkopf und das Beatdown-Deck
Seit einigen Jahren sieht man Yugis Dämon hin und wieder vermehrt in Decks, dann in Kombination mit Joeys Rotäugigem Schwarzen Drachen im gleichnamigen Themendeck. 2002 war der Herbeigerufene Totenkopf aber für sich genommen eine wertvolle und wichtige Karte. In der ersten Booster-Serie, Legend of Blue-Eyes White Dragon, war er als Ultra-Rare zu finden und das hatte damals durchaus seine Berechtigung: Mit einem ATK-Wert von 2500 forderte seine Beschwörung trotzdem nur ein Opfer und das war einmalig. Er war damit ein wertvoller Mitstreiter in den ersten Beatdown-Decks, deren Strategie ganz simpel aus der Reduktion der gegnerischen Lebenspunkte durch pure ATK-Stärke bestand.
Monster der Stufe 4 oder niedriger
Unterstützung erhielt dieses Bossmonster durch Mystischer Jinn der Lampe oder Siebenfarbiger Fisch. Beide verfügen als Stufe-4-Monster über einen ATK-Wert von 1800, das Maximum damals für Monster, die kein Tribut benötigen. Ersterer war im Starter Deck Kaiba erhältlich, letzterer als Common aus dem zweiten Set Metal Raider. Damit waren beide Monster leicht erhältlich und fanden sich nicht selten mehrfach in den entsprechenden Decks. Zu überwinden waren sie nur durch ein tributbeschworenes Monster oder durch entsprechende Zauber- und Fallenkarten. Eine kleine Ausnahme stellt lediglich die Karte Mechanischer Jäger dar, der mit 4 Sternen und einem ATK-Wert von 1850 die beiden besiegen konnte – der findet sich 2002 aber nur im ersten Tournament Pack und ist dort Ultra Rare, sodass kaum jemand im Besitz dieser Karte war.
Zwei Effektmonster fanden sich dann aber doch in den meisten Decks. Eine war der berüchtigte Menschenfresserkäfer, der ein Monster zerstören kann, wenn er geflippt wird. Die andere Karte ist Wand der Illusionen. Nicht nur verfügt sie über eine solide DEF, sie dünnt auch das gegnerische Feld aus, wenn sie angegriffen wird.
Zauber- und Fallenkarten im Beatdown-Deck
Auch in puncto Zauber- und Fallenkarten herrschte in den ersten Decks weitgehend Konsens. Die meisten Staples waren hier in den Starter Decks zu bekommen, eine Ausnahme bildete Raigeki, die es ausschließlich im ersten Set in Super Rare gab.
Topf der Gier, Wiedergeburt, Überläufer und Schwarzes Loch hingegen waren problemlos aus den Starter Decks zu beziehen. Auch Verräterische Schwerter war eine Karte, die sehr viel Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen konnte. Es gab nämlich keine Möglichkeit, sich unliebsamer Zauber- und Fallenkarten zu entledigen, insofern half nur eins: aussitzen.
All diese Karten verschafften dem Anwender einen Vorteil und verlangen dabei keine nennenswerten Kosten, wodurch man rasch das Duell zu eigenen Gunsten wenden konnte. Dies sorgte dafür, dass recht schnell eine offizielle Liste veröffentlicht wurde, die den Gebrauch dieser Karten auf 2 oder 1 limitierte. Verboten waren zu dieser frühen Zeit noch keine Karten, das wurde erst mit Einführung des Chaos-Themas notwendig – aber da greife ich bereits voraus, denn dem Chaos-Thema soll ein eigener Artikel gewidmet werden.
Wenn wir einen Blick auf die Fallenkarten jener Zeit werfen, stellen wir schnell fest, dass es hier wenig zu holen gibt: Waboku hindert den Gegner eine Runde daran, euch Schaden zuzufügen und gibt euch die Gelegenheit, Opfer für eine Tributbeschwörung zu sammeln und Fallgrube rettet euch, wenn der Gegner ein starkes Monster beschwört. Und das war‘s eigentlich auch schon.
Entwicklung des Beatdown-Decks
Mit dem zweiten Booster, Metal Raider, entwickelte sich das Beatdown-„Meta“ rasch weiter. Mit Sangan und Hexe vom schwarzen Wald hielten die ersten Searcher Einzug ins Spiel.
Magier des Glaubens erlaubt es euch eine Zauberkarte vom Friedhof zu recyceln. Mit diesen Karten treten die ersten wirklich nützlichen Monstereffekte im Yu-Gi-Oh! TCG auf, doch auch in puncto Zauber- und Fallenkarten hat sich zu dieser Zeit einiges nützliches getan:
Neue Zauber- und Fallenkarten
Schwerer Sturm wird eine der begehrtesten Karten des Sets, denn mit ihr werden alle Karten in der Zauber- und Fallenkartenzone zerstört. Die Fallenkarte Spiegelkraft wird eingeführt und hält sich lange, teilweise bis heute, in respektablen Decks. Beide Karten landen kurz darauf auf der Liste der limitierten Karten, gehören aber noch lange zu den absoluten Must-Haves in jedem Deck.
Das Beatdown-Deck und damit das gesamte Spiel gewinnt nun rasch an Komplexität, denn mit dem nächsten Set Magic Ruler (das später in Spell Ruler umbenannt wird) taucht mit Axt der Verzweiflung eine Ausrüstungszauberkarte auf, die es auch einem Monster der Stufe 4, wie dem oben erwähnten Siebenfarbigem Fisch, ermöglicht, im reinen Zweikampf den bis dato fast unüberwindbaren Herbeigerufenen Totenkopf zu bezwingen.
Immer noch im Jahr 2002 erschien als letzte Boosterserie des Jahres Pharao‘s Servant. Mit ihr erhielten zwei absolute metarelevante Karten Einzug ins Spiel. Eine von ihnen ist Goblin Angriffstrupp: Mit einer ATK von 2300 und einer Stufe von 4 schickt sie Siebenfarbiger Fisch und Mystischer Jinn der Lampe problemlos auf den Friedhof, auch wenn sie danach in die Verteidigungsposition geändert wird. Die zweite und noch relevantere Karte ist Jinzo.
Da zu dieser Zeit recht stark auf Fallen gesetzt wurde (Spezialbeschwörungen waren die absolute Ausnahme, insofern schützten eben Fallen die eigenen Lebenspunkte), erklomm Jinzo schnell die vielfältigsten Decks und wurde zu einer der gefürchtetsten Karten jener Zeit. Sein Gegenstück findet sich in der Fallenkarte Kaiserlicher Befehl, die den Einsatz von Zauberkarten unmöglich machte und somit eigentlich nur durch den Besitzer selbst zerstört werden konnte. Beide, Jinzo und Kaiserlicher Befehl, waren ausschließlich als Secret Rare im Pharao‘s Servant zu erhalten und damit begehrt und teuer.
Trotz all dieser Neuerungen blieb das klassische Beatdown-Deck weitgehend konstant. Ändern sollte sich das zu Beginn des Jahres 2003 mit dem Release von Labyrinth of Nightmare. Hier erhielten wir – ganz unspektakulär – ein effektloses Monster der Stufe 4 als Secret Rare.
Unspektakulär? Bei weitem nicht: erstmals in der Geschichte des Spiels taucht ein Monster auf, das ohne Tribut beschworen werden kann, eine ATK von 1900 hat und dabei keinen negativen Zusatzeffekt besitzt, der den Vorteil zu Gunsten des Gegners wieder ausgleicht: Elfenzwillinge.
Die Elfen sind aber nicht die einzigen Monster jenes Sets, das die bis dahin vermeintlich starken Monster mit ihren 1800 ATK auf die Ersatzbank verbannt.
Basu, der Seelenfresser ist eine ebenfalls sehr interessante Karte, denn bei ihr handelt es sich um eine sogenannte Errata. Das sind Karten, deren Effekt im Laufe der Zeit angepasst und abgemildert wurden. Während der aktuelle Effekt verlangt, drei Monster vom Friedhof zu verbannen, waren es in der 1. Auflage noch 3 beliebige Karten. Dann erhält er pro verbannter Karte 300 ATK zusätzlich und kommt somit mit einem Ausgangswert von 1600 auf stolze 2500 ATK: Ein Monster also, das keinen Tribut benötigt und es dennoch mit den Großen wie Herbeigerufener Totenkopf und Dunkler Magier (der bekanntermaßen ja sogar 2 Tribute benötigt) aufnehmen kann.
Neben diesen beiden Karten, deren Effekt ausschließlich auf Stärke ausgelegt ist, taucht auch ein unscheinbares Monster mit 1800 ATK auf, das einen mehr als nützlichen Effekt mitbringt: Kycoo, Geistzerstörer. Mit zunehmendem Einfluss des Friedhofs für das Spiel gewinnt auch Kycoo an Stärke und ist bald eine viel gesehene Karte in den meisten turniertauglichen Decks der frühen 2000er Jahre.
Werfen wir zum Schluss noch einen raschen Blick auf zwei neue Ausrüstungszauberkarten aus dem besagten Set, die wiederum die bisher beliebte Axt der Verzweiflung alt aussehen lassen. Die Rede ist natürlich von Gemeinsam sind wir stark und Kraft der Magie. Beide erlauben es euch, je nach Situation auf eurer Spielfeldseite, euren Monstern einen enormen Powerschub zu verpassen, der die statischen 1000 zusätzlichen ATK, die Axt der Verzweiflung verleiht, bei weitem übertrifft.
Das Meta entwickelt sich nun rascher, hin zu einer eleganteren Version des Beatdown-Decks, die vor allem auf Elfenzwillinge und die erwähnten Ausrüstungen setzt. Nach wie vor jedoch dreht sich alles um eine möglichst hohe ATK. Das sollte sich aber bald darauf ändern, als ein neues Deck erstarkt… dazu aber im zweiten Teil meiner Reihe mehr.
Euer Hyozan