Die Meta steht Kopf. Während sich im gesamten letzten Jahr gefühlt gar nichts an der Spitze der Top-Decks getan hat, hat sich in diesem Jahr unser Format binnen weniger Monate mehrfach gewandelt. Natürlich trägt die Abenteurer-Engine und das Structure Deck: Albaz Strike dazu massiv bei, beides war aber kalkulierbar und hat wenig überrascht. Dann tauchen alte Meta-Decks wieder aus der Versenkung auf, wie etwa Himmelsjäger, das die YCS Hartford gewinnen konnte – und das immerhin gegen Despia. Ab und an schnuppert aber auch ein Deck Meta-Luft, das bisher so gar nicht im kompetitiven Bereich unterwegs war. Um ein solches Deck geht es heute.
Sonnenavalon
Es geht heute um das Sonnenavalon-Deck. Das Deck war bisher absolut nicht gut und deswegen auf Turnieren kaum vertreten. Ich denke, den meisten Spielern – mich eingeschlossen – geht es so, dass sie das Deck dem Namen nach zwar kennen, aber keine Ahnung haben, was sich dahinter verbirgt.
Sonnenavalon ist ein Pflanzendeck, das im Extra Deck vor allem oder ausschließlich auf Linkmonster setzt.
Im Main Deck ist die wichtigste Karte ein effektloses Monster: Sonnensamen-Genie Loci macht erst einmal nicht viel her, dient aber als wunderbares Material für Sonnenavalon-Dryas. Die wiederum lässt euch eine Sonnenranken Zauber- oder Fallenkarte vom Deck auf die Hand holen – üblicherweise ist das Sonnenranken-Schrein, die euch ihrerseits dann Sonnensamen-Genie Loci recycelt. Es geht also um Loops und da spielt eine gewisse neue Engine eine nicht unerhebliche Rolle. In einer modernen und starken Version des Decks wird diese einfache Grundcombo aber gar nicht gespielt, wir werden aber sehen, dass Sonnensamen-Genie Loci sich seinen Wert dennoch bewahrt hat, auch wenn das Deck selbst eigentlich gar nicht mehr so sehr auf die typischen Pflanzenmonster setzt…
Den Build, um den es heute gehen soll, haben wir Yi Zheng zu verdanken, der damit auf der Regional in Pasadena den dritten Platz gewinnen konnte.
Das Deck
Monster | Zauber | Fallen | Extra Deck | Side Deck |
3 Sonnensamen-Genie Loci 2 Sonnensamen-Zwilling 1 Rosenmädchen 1 Naturia-Rosenpeitsche 1 Therion „König“ Regulus 3 Therion „Lily“ Borea 1 Umherstreifender Greifenreiter 3 Wasserverzauberin des Tempels 1 Illegaler Ritter 1 Effektverschleierin 2 Geistermädchen und Spukhaus 3 Aschenblüte & Freudiger Frühling 2 Kauz & Schlossvogel | 1 Vom Grab gerufen 1 Therion-Diskolosseum 1 Sonnenranken-Aussaat 1 Einer für einen 2 Qual der Entscheidung 3 Unerwarteter Dai 1 Törichtes Begräbnis 1 Dracoback, der Reitdrache 1 Verhängnisvolles Abenteuer 2 Ritus von Aramesir 3 Auslöschungsinformant | 1 Unendliche Unbeständigkeit 1 Sonnenavalon-Blüte | 3 Sonnenavalon-Dryas 1 Sonnenranken-Wache 1 Sonnenranken-Drescher 2 Sonnenranken-Heiler 2 Aromaseraphie Jasmin 3 Sonnenavalon-Melias 1 Sonnenavalon-Dryatrentiay 2 Benghalanzenträger der Auferstandene | 2 Geisterschwester und gruseliger Hartriegel 2 Zwillings-Twister 3 Kein Dunkler Herrscher mehr 2 Ausgeglichener Zweikampf 3 Dimensionsbarriere 3 Rivalität der Kriegsherren |
Sonnensamen-Genie Loci und Sonnenavalon-Dryas
Ungewöhnlich ist, dass das Hauptmonster des Decks ein effektloses Monster der Stufe 1 mit 0 ATK und einer DEF von 600 ist. Dennoch werdet ihr dieses Monster in den meisten Versionen dieses Decks dreimal spielen – der Grund dafür ist das Linkmonster Sonnenavalon-Dryas. Für dessen Beschwörung benötigt ihr nur ein Pflanzen-Monster der Stufe 4 oder niedriger, wenn das Material außerdem Sonnensamen-Genie Loci ist, erhält Sonnenavalon-Dryas einen wichtigen Sucheffekt, mit dem ihr euch eine Sonennranken Zauber- oder Fallenkarte suchen könnt. Oben habe ich bereits erwähnt, welches Ziel hier bisher üblich war, in der Neuinterpretation des Decks durch Yi Zheng wird Sonnenranken-Schrein aber gar nicht mehr gespielt, daher kann hier nur auf Sonnenranken-Aussaat aus Burst of Destiny zugegriffen werden.
Wenn ihr außerdem Kampf- oder Effektschaden erhaltet, bekommt ihr den Schaden direkt wieder als Lebenspunkte drauf und könnt ihr euch ein Sonnenranken-Monster vom Extra Deck beschwören. Hier habt ihr wiederum reichlich Auswahl, denn anders als im Main Deck setzt das Extra Deck ausschließlich auf themeneigene oder -verwandte Karten.
Sonnensamen-Zwilling
Wenn ihr ein Sonnenavalon-Linkmonster kontrolliert, wenn dieses Monster spezial- oder normalbeschworen wird, könnt ihr ein normales Pflanze-Monster vom Friedhof spezialbeschwören, sprich: Sonnensamen-Genie Loci. Mit dem könnt ihr dann wie gewohnt eure Linkmonster beschwören, die teilweise als Material eben nur Loci benötigen. Darin liegt eine der großen Stärken des Decks: Linkmonster benötigen üblicherweise mindestens zwei Materialien, in diesem Deck kommt ihr wunderbar mit einem aus. Weiterhin erlaubt es euch Sonnensamen-Zwilling, ein Linkmonster vom Typ Pflanze vom Friedhof spezialzubeschwören. Die Bedingungen dafür sind allerdings derart spezifisch, dass dieser Effekt kaum dieselbe Relevanz haben dürfte wie der erste. Yi Zheng spielt diese Karte primär, um Sonnensamen-Genie Loci zu recyceln und so den Großteil seiner Linkbeschwörungen zu ermöglichen.
Rosenmädchen
Rosenmädchen nun unterstützt dieses Deck letztendlich doch noch dabei, etwas mehr Feldpräsenz zu generieren. Wird eines eurer Pflanzen-Monster auf den Friedhof gelegt, könnt ihr sie von der Hand spezialbeschwören. Und wenn ihr ein Pflanzen-Monster kontrolliert, könnt ihr Rosenmädchen vom Friedhof zurück auf die Hand holen. Ihr könnt zwar nur einen der beiden Effekte pro Spielzug aktivieren, aber es sollte deutlich werden, wie penetrant diese Karte immer wieder aufs Feld gelangt, um dann von dort für diverse Linkbeschwörungen weiterverarbeitet zu werden.
Naturia-Rosenpeitsche
Naturia-Rosenpeitsche war einst eine Super Rare aus Hidden Arsenal 2. Sagenhafte 12 Jahre später hat diese Karte in Hidden Arsenal: Chapter 1 im März diesen Jahres ihren ersten Reprint erhalten – und ist nun sogar ein wenig relevant im kompetitiven Bereich, wer hätte das gedacht?
Ihr Effekt ist gefährlich wie er schlicht ist: Euer Gegner kann nur eine Zauber- oder Fallenkarte pro Spielzug aktivieren. Das war‘s. Keine Einschränkungen, keine Kosten, keine Bedingungen. Gut, mit einer ATK von 400 und einer DEF von 1700 überlebt diese Karte im Kampf nicht lange, aber bis der Gegner seine Battle Phase einleitet, bleibt er in seinen Optionen beschränkt. Besonders hart trifft das natürlich das Despia-Deck, das immens auf Zauberkarten angewiesen ist: Markierten-Eröffnung oder Schreckenspelz-Patchwork sind notwendige Unterstützungen für eine solide Feldpräsenz und ohne Markierte Fusion wird das diesem Deck sowieso nicht gelingen. Abgesehen davon macht diese Karte auf dem Feld auch die Abenteuer-Engine zunichte, den nach Ritus von Aramesir ist Schluss und ihr könnt die anderen Komponenten wie Dracoback, der Reitdrache oder Verhängnisvolles Abenteuer gar nicht erst aktivieren. Das lässt euren Gegner dann schutzlos dastehen und ihr könnt den Gegner durch eure Handtraps stören, von denen Yi Zheng immerhin 8 im Main Deck spielt (9, wenn man Unendliche Unbeständigkeit dazuzählt. Da ihr aber in diesem Szenario Naturia-Rosenpeitsche auf dem Feld habt, könnt ihr die Fallenkarte nicht als Handtrap nutzen).
Die Therion-Engine
Tja, das war‘s auch schon an Pflanzen im Main Deck. Der Rest des Main Decks besteht aus bewährten Meta-Engines wie der Abenteurer-Engine und eben der neuen Therion-Engine. Auf die bin ich zwar bereits in einem anderen Artikel eingegangen, gerade in einem Pflanzen-Deck hat diese Engine aber ein besonderes Potenzial, auf das ich noch einmal explizit eingehen möchte.
Therion „ Lily“ Borea ist der Grund, warum diese Engine in diesem Deck so gut funktioniert und letztendlich ist es auch „Lily“ Borea, die das Sonnenavalon-Deck überhaupt erst zu einem ernsthaften Gegner macht.
Wenn ihr Therion „Lily“ Borea auf der Hand habt, könnt ihr sie spezialbeschwören, indem ihr ein Pflanze-Monster vom Friedhof wählt und es als Ausrüstungskarte an „Lily“ Borea anhängt. Das besagte Therion-Monster zu beschwören, ist also absolut simpel, schließlich spielt ihr trotz einiger Handtraps und diverser Engines immer noch genug Pflanzen, um ausreichend Auswahl zu haben. „Lily“ Borea erlaubt es euch außerdem, eine Therion Zauber- oder Fallenkarte vom Deck auf die Hand zu nehmen. Das ist im Build Yi Zhengs eine Kopie von Therion-Diskolosseum. Wenn ihr die bereits gezogen habt, ist „Lily“ Boreas Effekt eigentlich gegenstandslos, die Karte ist dennoch nützlich, denn im Friedhof hilft sie euch dabei, Therion „König“ Regulus aufs Feld zu bringen und der ist bekanntlich ein starker Omni-Negate, den ihr durch Therion-Diskolosseum sogar vom Friedhof recyceln könnt. Insofern mag es nachvollziehbar sein, dass Zheng den „König“ nur einmal spielt, tatsächlich halte ich eine zweite Kopie davon im Main Deck aber für konstanter. Letztendlich zeigt die Platzierung im Turnier aber, dass das Deck in dieser Version gut funktioniert hat.
Illegaler Ritter
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um über Illegaler Ritter zu sprechen, einer Secret Rare aus dem neuen Set Dimension Force. Dieses Monster ergänzt die Abenteurer-Engine, deren Funktionsweise sicherlich hinreichend bekannt ist.
Ihr könnt Illegaler Ritter von der Hand spezialbeschwören, wenn ihr kein Monster oder nur eine Abenteurer-Spielmarke kontrolliert. Das Besondere: Dies ist ein Schnelleffekt und kann somit auch in der gegnerischen Main Phase aktiviert werden. Wenn ihr aber eine Abenteurer-Spielmarke kontrolliert, erhält Illegaler Ritter einen weiteren und sehr gefährlichen Schnelleffekt: Ihr wählt zwei gegnerische Karten und übergebt dann die Kontrolle von Illegaler Ritter an euren Gegner. Dann werden die beiden gewählten Karten auf die Hand zurückgegeben. Illegaler Ritter hat zwar eine ATK und DEF von jeweils 2000, verfügt aber sonst über keinen Effekt, der dem Gegner helfen könnte, sodass er diese Secret Rare eigentlich nur noch als Material für eine Beschwörung aus dem Extra Deck nutzen kann.
Zusammen mit Dracoback, der Reitdrache seid ihr also in der Lage, das gegnerische Feld recht schnell auszudünnen.
Sonnenranken-Heiler, Sonnenranken-Drescher, Sonnenranken-Wache
Verlieren wir nun noch ein paar Worte über das Extra Deck und wenden uns zunächst denjenigen Karten zu, die ihr nur mit Sonnensamen-Genie Loci beschwören könnt.
Im Grunde sind die Namen dieser Linkmonster Programm: Sonnenranken-Heiler schenkt euch unter gewissen Bedingungen Lebenspunkte, ist aber an sich recht sperrig geschrieben und wird zerstört, wenn ein anderes eurer Sonnenavalon-Linkmonster durch Karteneffekt das Spielfeld verlässt.
Der Drescher wird unter denselben Bedingungen zerstört. Seinem Namen entsprechend kann Sonnenranken-Drescher einen Powerschub auf seine ATK erhalten (die mit 800 erst einmal nicht sonderlich hoch ist). Außerdem könnt ihr ein Monster, das der Drescher zerstört, auf eurer Spielfeldseite beschwören, was ganz nett ist, auch wenn dessen Effekte dabei annulliert werden.
Und letztendlich kann Sonnenranken-Wache den Schaden halbieren, den sie aus Kämpfen davontragen würde – aber nur, wenn sie mit einem anderen Sonnenavalon-Linkmonster verlinkt ist. Wird die Wache durch Kampf zerstört, endet die Battle Phase. Ebenfalls recht spezifisch, ebenfalls nicht wirklich stark und trotzdem nicht so schlecht, wenn man bedenkt, dass als Material nur Sonnensamen-Genie Loci benötigt wird.
Sonnenavalon-Melias und Sonnenavalon-Dryatrentiay
Einen wichtigen Blick werfen wir nun noch auf die beiden Sonnenavalon-Extradeckmonster.
Sonnenavalon-Melias wird im vorgestellten Deck dreimal gespielt und das sollte auch bei den Decks, die sich dieses Deck zum Vorbild nehmen, so bleiben. Mit diesem Linkmonster könnt ihr Sonnensamen-Genie Loci vom Friedhof beschwören und wir wissen ja mittlerweile, was man mit dem so alles anstellen kann. Ihr beschwört also ein Sonnenranken-Linkmonster, das ihr dann wiederum mit Melias anwählen könnt und dieses gewählte Monster dann so oft angreifen lassen könnt, wie ihr Sonnenavalon-Linkmonster kontrolliert. Dazu muss Melias aber auch noch auf das besagte Sonnenranken-Monster zeigen, ihr müsst eure Zonen also clever bespielen.
Sonnenavalon-Dryatrentiay ist ein Link-4-Monster mit günstigen Linkpfeilen nach unten (links, Mitte und rechts). Mit ihr könnt ihr euch eine entsprechende Zauber- oder Fallenkarte suchen und gleichzeitig ist diese Karte vor Zerstörung durch gegnerische Karteneffekte geschützt. Auch durch Kampf kann Sonnenavalon-Dryatrentiay nicht zerstört werden, denn der Gegner kann sie nicht einmal als Angriffsziel bestimmen.
Einmal pro Spielzug könnt ihr ein Linkmonster, auf das diese Karte zeigt, als Tribut anbieten und gegnerische Karten bis zur Linkzahl des geopferten Monsters zerstören – ganz ohne zu zielen mal wieder. Richtig eingesetzt bieten euch Melias und Dryatrentiay also wunderbare Möglichkeiten, ein leeres gegnerisches Feld mehrmals anzugreifen – einen OTK zu landen also.
Beurteilung
Okay, Yi Zheng konnte mit diesem Deck in Pasadena den dritten Platz erkämpfen. Insofern hat das Sonnenavalon-Deck sicherlich seine Berechtigung und ist im aktuellen Format vielleicht sogar gut. Ich mag es trotzdem nicht. Ich halte dieses Deck für viel zu gehypet und glaube nicht, dass es sich langfristig im kompetitiven Bereich etablieren wird. Ein Sieg macht eben noch kein Meta-Deck aus.
Das Sonnenavalon-Deck selbst ist ja nichts neues und konnte sich bisher nie wirklich behaupten, was die Vermutung nahelegt, dass die eigentliche Win Condition des Decks nicht in den Pflanzen liegt, sondern eben in der Therion- und der Abenteurer-Engine. Die beiden Engines sind für sich genommen so metarelevant, das jedes Deck, das auf sie zugreift, automatisch an Stärke gewinnt. Das hat sich auch auf der YCS Hartford gezeigt, wo unter den Top 32 immerhin auch ein ABC-Therion-Deck vertreten war. ABC ist ja grundsätzlich kein schlechtes Deck, wirklich mithalten kann es aber aktuell wohl nur wegen der Therion-Engine. Pflanzen und Maschinen sind eben dankbare Decks dafür.
Die Linkbeschwörungen vom Extra Deck sind nett und spielen elegant um die momentan überall vertretene Dimensionsbarriere herum. Das ist im aktuellen Turniergeschehen wichtig und die momentanen Tops überall im TCG-Raum zeigen, dass es eben nicht immer die großen Meta-Decks sind, die die Siege einfahren.
Das Problem ist aber auch ein pekuniäres: Wenn ich bereit bin, hunderte von Euro in Therion und Abenteurer zu stecken, dann pack ich diese Engine nicht in ein schwaches Deck, sondern spiele ein Deck, das auch für sich genommen stark ist. Sicherlich, die Sonnenavalon-Karten kosten sonst nicht mehr wirklich was, aber dann kann ich auch auf das bereits erwähnte ABC-Deck setzen. Die Kernkarten daraus stammen aus einem Structure Deck und sind demnach im Preis übersichtlich.
Aber vielleicht seid ihr ja ganz anderer Meinung und habt mit diesem Yu-Gi-Oh! Deck selbst ganz andere Erfahrungen gemacht – dann belehrt mich gerne eines Besseren!
Euer
Hyozan