Im vergangenen Monat fand mit dem LCS VIII Turnier eine von wenigen größeren Veranstaltungen dieses Jahr statt. Während in letzter Zeit vor allem die Remote Duel Invitationals einen Blick wert sind, um spannende Top-Decks in den Blick zu nehmen, entstieg dem LCS-Turnier ein neues Yugioh-Deck: Virtualwelt. Was sich hinter diesem Namen verbirgt und was dieses Deck kann, schauen wir uns heute einmal an.
Was ist Virtualwelt?
Der noch recht neue Archetype besteht vor allem aus Erde Wyrm und Wind Psychic Monstern. Dabei ist die Verteilung von Empfängern und Nicht-Empfängern sehr ausgeglichen, was dieses Deck sehr attraktiv für Synchro-Monster macht.
Die ersten Yugioh Karten dafür erschienen bereits früher dieses Jahr, ernsthaft spielbar ist der Archetyp aber erst durch seinen Support im Phantom Rage Set, das Anfang November zu uns ins TCG gekommen ist.
Gesetzt wird hierbei vor allem auf Spezialbeschwörungen und die Möglichkeit, Karten zu verbannen. Im Main Deck werden Monster mit Freude von der Hand oder dem Friedhof spezialbeschworen. Swarming lautet hier also das Zauberwort und demnach ist es unabdinglich, diejenigen Monster, die sich nur vom Friedhof spezialbeschwören lassen, schnell dorthin zu befördern. Aufgrund des großen Swarming-Potenzials baut ihr mit eurem Virtualwelt-Deck problemlos unangenehme XYZ- und Synchro-Monster. Linkmonster hingegen sind hier nicht vertreten, wie wir später noch genauer sehen werden. Das klingt stark und ist es auch: 208 Spieler nahmen an erwähntem Turnier teil, 23 von ihnen setzten auf Virtualwelt. Und tatsächlich war dieses Deck nicht nur siebenmal in den Top 16 vertreten, sondern belegte letzten Endes die beiden ersten Plätze des Turniers.
Werfen wir daher also nun einen Blick auf das Deck der LCS VIII, mit dem Gabriel Netz den ersten Platz gewinnen konnte – und das ohne Niederlage!
Monster (22) | Zauber (14) | Fallen (4) | Extra Deck (15) | Side Deck (15) |
3 Mai-Hime der Virtualwelt – Lulu 3 Hime der Virtualwelt – Nyannyan 3 Roshi der Virtualwelt – Laolao 3 Kiri der Virtualwelt – Lili 3 Xiezhie der Virtualwelt – Jiji 3 Aschenblüte & Freudiger Frühling 3 PSI-Hüllenpanzer Gamma 1 PSI-Hüllentreiber | 3 Stadt der Virtualwelt – Kauwloon 3 Tor der Virtualwelt – Qinglong 3 Topf der Begierden 1 Emporkömmling Goblin 1 Notfallteleport 3 Talent der drei Taktiken | 1 Kräfte rauben 3 Tor der Virtualwelt – Chuche | 1 Ungeheuer der Virtualwelt – Jiujiu 1 Göttliches Arsenal AA-Zeus – Himmelsdonner 2 Wahrer König aller Katastrophen 1 Gaia-Drache, der Donnerangreifer 1 Nummer 39: Über-Utopia 1 Sternzeichen-Kundler Ptolemy M7 1 Die Phantomritter des zerbrochenen Schwertes 1 Panzer der Virtualwelt – Jaja 1 Kyubi der Virtualwelt – Shenshen 1 Zinnoberfarbener Drachenmech 1 Gefräßiger Krokodrache Archethys 1 Wolkenschloss 1 Korallendrache 1 Sternenstaub-Angriffskrieger | 3 Nibiru, das Urwesen 3 Spielmarken-Sammler 3 Gnomaterial 1 Dinowrestler Pankratops 1 Roter Neustart 1 Harpyien-Flederwisch 2 Zwillings-Twister 1 Kaiserlicher Befehl |
Dieses Deck bringt eine ganz entscheidende Eigenschaft mit: Es dürfte sich als recht unempfindlich gegen kommende Banlists erweisen, da es vor allem innerhalb des eigenen Archetypes agiert und wenig auf generische Karten setzt.
Um diesen Artikel in einer akzeptablen Länge zu halten, kann ich unmöglich auf alle neuen Karten eingehen und muss mich folglich auf einige wenige fokussieren.
Mai-Hime der Virtualwelt – Lulu
Sie könnt ihr spezialbeschwören, wenn ihr eine Virtualwelt-Karte kontrolliert. Zusätzlich müsst ihr eine Karte vom Deck auf den Friedhof legen. Anschließend könnt ihr eine Virtualwelt-Karte vom Deck auf die Hand nehmen. Wichtig dabei ist allerdings zu beachten, dass ihr mit diesem Effekt sowohl Monster- als auch Zauber- und Fallenkarten abdecken müsst und somit nicht gänzlich flexibel seid. Ihr müsst aber noch eine weitere Einschränkung hinnehmen: Fortan könnt ihr nur noch Monster der Stufe oder des Rangs 3 oder höher beschwören.
Diese Einschränkung bringen alle Virtualwelt-Monster mit und sie ist auch der Grund, weshalb ihr in diesem Deck keine Linkmonster spielen könnt, denn die haben schlicht keine Stufe. Das ist ganz spannend, denn die meisten Decks nutzen doch zumindest ein paar wenige Linkmonster, selbst wenn der Fokus auf XYZ- oder Synchromonstern liegen mag. Bei Virtualwelt ist das anders, hier verzichtet ihr gänzlich auf Linkmonster und kostet die Master Rule 5 dadurch voll aus. Eure Extra Monsterzone solltet ihr dabei jedoch vielleicht erst einmal unbesetzt lassen, zumindest bis ihr wisst, dass euer Gegner keine Cyber Drachen spielt: Diese nutzen nämlich gerne ein gegnerisches Monster in der Extra Monsterzone für ihre eigenen Fusionsbeschwörungen.
Hime der Virtualwelt – Nyannyan
Diese Super Rare aus Phantom Rage gehört zu den günstigsten Karten dieses sonst teuren Decks. Nichtsdestotrotz stellt sie einen elementaren Bestandteil eurer Strategie dar.
Anders als die anderen Virtualwelt-Monster wird Nyannyan vom Friedhof spezialbeschworen und wird dann zu einem Empfänger. Anschließend wird sie verbannt, erlaubt es euch dabei aber, eine andere verbannte Karte zurück ins Deck zu mischen und schafft euch so solide Ressourcen. Im Grunde vereint Hime der Virtualwelt – Nyannyan in sich die grundlegende Mechanik des Decks.
Kiri der Virtualwelt – Lili
Lili funktioniert im Grunde ganz ähnlich wie Mai-Hime der Virtualwelt – Lulu. Mit ihr könnt ihr zwei unterschiedliche Kartentypen (also Monster, Zauber oder Falle) vom Deck auf den Friedhof legen. Dieser Effekt ist essentiell für das Deck, da sich nicht wenige Effekte aus dem Friedhof heraus aktivieren und dieses doppelte Törichte Begräbnis euch immense Vorteile verschafft. Wie bei den anderen Main Deck Monstern auch, wird Lili durch ihren eigenen Effekt spezialbeschworen. Auch hier können dann nur noch Monster ab Stufe oder Rang 3 beschworen werden, was aber keine große Einschränkung darstellt und euch lediglich beim Deckbau, nicht aber bei euren tatsächlichen Spieloptionen einschränkt.
Tor der Virtualwelt – Qinglong
Wo wir gerade bei der Bedeutung des Friedhofs sind: Tor der Virtualwelt – Qinglong fordert, dass ihr eine Virtualwelt-Karte vom Friedhof verbannt. Dann könnt ihr den Effekt eines Monsters auf dem Spielfeld bis zur End Phase annullieren. Schade ist, dass dieser Effekt zielt und somit auf eine ganze Reihe an Karten nicht anwendbar ist. Einen Rotäugigen Dunklen Dragoner werdet ihr damit also nicht los, aber dafür gibt es ja auch noch Talent der drei Taktiken.
Wenn sich diese Karte im Friedhof befindet, könnt ihr sie verbannen und eurer Hand ein Virtualwelt-Monster vom Deck hinzufügen. Zusätzlich müsst ihr dann eine Karte abwerfen. Letzteres sieht aus wie ein Nachteil, kann euch aber auch problemlos weitere Spieloptionen eröffnen.
Stadt der Virtualwelt – Kauwloon
Sie bringt gleich eine ganze Reihe an Effekten mit, die es wirklich in sich haben. Von einem eher müden Powerboost von 200 ATK für eure Virtualwelt-Monster einmal abgesehen, könnt ihr mithilfe dieser Karte die drei obersten Karten vom Deck auf den Friedhof legen oder sogar bis zu vier Monster vom Extra Deck beschwören. Hier wird deutlich, wie relevant es für dieses Deck ist, mit dem Friedhof interagieren zu können. Je nachdem, wie sehr sich Virtualwelt im kommenden Format hervortut, wäre es daher ratsam, im Side Deck entsprechend vorzusorgen – etwa durch Tal der Toten. Da hat Virtualwelt nämlich massive Probleme, sie wieder loszuwerden, da dieses Deck – zumindest im Build von Gabriel Netz – kaum Möglichkeiten sieht, Zauber- und Fallenkarten zu entsorgen. Eine Ausnahme bildet hier lediglich die Falle Tor der Virtualwelt – Chuche. Netz steuert im Side Deck aber dagegen, indem er dort auf den seit kurzem wieder erlaubten Harpyien-Flederwisch und Zwillings-Twister setzt, mit deren Hilfe er weitere Handkarten loswerden kann. Auf Chuche solltet ihr aber auf gar keinen Fall verzichten, denn sie befreit euch einerseits flexibel von jeder Art von Störfaktoren oder zwingt den Gegner zumindest, seine Negate-Effekte zu verbrauchen.
Den Sieg erringen – aber wie?
Nachdem wir nun einen flüchtigen Blick auf das Main Deck geworfen haben, dürfte klar sein, dass hier noch keine wirkliche Win Condition erkennbar ist: Das Spezialbeschwören der Virtualwelt-Monster ist nett, doch reichen weder ihre Werte noch ihre Effekte aus, um das Duell für sich zu entscheiden. Dafür brauchen wir in diesem Deck ohne jeden Zweifel unser Extra Deck. Linkmonster fallen weg, Fusionen sind ebenfalls nicht vorgesehen.
Stattdessen setzt ihr auf starke Synchromonster der Stufe 9 oder entsprechende XYZ-Monster wie Wahrer König aller Katastrophen. Auf einige Extra Deck Monster möchte ich noch konkreter eingehen:
Kyubi der Virtualwelt – Shenshen
Zusammen mit Ungeheuer der Virtualwelt – Jiujiu stellt Shenshen das einzige archetypeigene Synchro-Monster dar. Als Monster der Stufe 9 bekommt ihr es recht leicht aufs Feld, haben doch alle Virtualwelt-Monster die Stufe 3 oder ein Vielfaches davon. Belohnt werdet ihr mit einer der stärksten Karte des Decks. Zunächst werden alle Karten, die vom Feld auf den Friedhof wandern würden, verbannt. Das schwächt viele Decks immens, denn aktuelle Spitzenreiter wie etwa Linkdrache sind auf den Friedhof angewiesen.
Wenn ihr einen Angriff deklariert, könnt ihr dann pro Spielzug ein verbanntes Monster zurück auf den Friedhof legen. Ob vom Gegner oder euer eigenes, ist egal – natürlich werdet ihr in der Regel aber eigene Monster zurück ins Spiel bringen. Zu allem Überfluss könnt ihr Kyubi der Virtualwelt – Shenshen auch noch vom Friedhof spezialbeschwören. Diese Plage loszuwerden ist also alles andere als einfach und so manch einer von uns wird sich gewiss in Zukunft die Zähne an Shenshen ausbeißen.
Gefräßiger Krokodrache Archethys
Die Fokussierung dieses Decks auf Stufe-3-Monster limitiert euch bei der Wahl eurer Synchromonster ein wenig. Gefräßiger Krokodrache Archethys ist aber so oder so eine gute Wahl, denn auch wenn er nicht direkt dem Archetype zuzuordnen ist, arbeitet er der Virtualwelt-Mechanik entsprechend. Neben einer zunächst recht überschaubaren ATK-Stärke hilft euch diese Karte dabei, neue Handkarten zu generieren und zugleich auch Karten von der Hand abzuwerfen, um gegnerische Karten zu zerstören. Das ist nett, lange wollt ihr Gefräßiger Krokodrache Archethys aber nicht auf dem Feld behalten, sondern ihn lieber als Material für eine XYZ-Beschwörung nutzen.
Wahrer König aller Katastrophen
Da bietet sich natürlich dieses Ungetüm des Rangs 9 an. Wenn man sich so umhört, werden immer wieder Stimmen laut, die ein Verbot dieses XYZ-Monsters fordern und je nachdem, wie sich das Virtualwelt-Deck in Zukunft entfalten mag, könnte Konami diesen Forderungen Gehör schenken. Ähnlich wie Nummer S0: Utopisches ZEXAL hindert Wahrer König aller Katastrophen euren Gegner nämlich komplett am Spielen. Das ist nicht fair und wenn Wahrer König aller Katastrophen direkt im ersten Spielzug aufs Feld gelangt, könnt ihr wenig bis gar nichts dagegen ausrichten.
Göttliches Arsenal AA-Zeus – Himmelsdonner
Hier haben wir es nun mit der teuersten Karte des Decks zu tun, die aber seit Kurzem vermehrt zu sehen ist und das gewiss nicht zu unrecht. Für die Beschwörung benötigt ihr eigentlich zwei Monster der Stufe 12. Ihr könnt aber auch ein beliebiges XYZ-Monster auf eurer Spielfeldseite verwenden, vorausgesetzt, es hat in diesem Spielzug bereits gekämpft. Die Beschwörungsbedingungen sind also schon einmal kinderleicht und Göttliches Arsenal AA-Zeus – Himmelsdonner dürfte allein dadurch überraschend kommen und den Gegner kalt erwischen. Der Schnelleffekt dieses Monsters macht die Lage des Gegners aber auch nicht wirklich besser. Zum Preis von zwei Materialien könnt ihr alle anderen Karten vom Spielfeld auf den Friedhof legen. Natürlich ist dieser Effekt an keine Bedingungen geknüpft und AA-Zeus kann trotzdem noch angreifen, was bei einem ATK-Wert von 3000 schon schmerzhaft ausfallen kann. Wenn dann auch noch eines eurer Monster durch Kampf oder einen Karteneffekt des Gegners zerstört wird, könnt ihr eine Karte von der Hand, dem Deck oder dem Extra Deck an diese Karte als Material anhängen. Allein dieser Effekt ist super stark, denn so sucht ihr euch wichtige Karten aus dem Deck und könnt sogar auf das Extra Deck zugreifen.
Summa Summarum
Wie Virtualwelt in den nächsten Wochen und Monaten abschneiden wird, wird sich erst zeigen müssen. Der Auftakt ist jedenfalls vielversprechend, dennoch bleibt abzuwarten, wie sich das Format unter der neuen Banlist vom 15.12.2020 wandeln wird.
Im Main Deck sind viele spannende und neue Karten enthalten, der Fokus liegt hier aber ganz klar auf dem Extra Deck. Insofern mag dieses Deck gegen alles anfällig sein, was das Extra Deck blockiert oder zumindest hemmt. Zerstörungsschwert des Drachenbusters beispielsweise kann sich als recht unangenehm erweisen, da dieses Deck zunächst nicht verstärkt auf Backrow-Removal setzt. Das Side Deck sorgt hier zwar entsprechend vor, doch dürfte ein Großteil der alltäglichen, einfachen Duelle ohne Side Deck bestritten werden.
Insgesamt wirkt Virtualwelt aber gefährlich, dynamisch und vielseitig, was dieses Yugioh-Deck zu einem ernsthaften Konkurrenten am Meta-Firmament macht.
Euer Hyozan